»Una notte al museo«
Die italienische Bestseller-Autorin Silvia Ballestra hat sich auf Einladung ihres Verlages Editora Laterza auf ein besonderes Experiment und Abenteuer eingelassen: Sie hat die Nacht auf den 8. März in der GRIMMWELT in Kassel verbracht und wird über ihre Erfahrung schreiben.
Die Idee hinter diesem Projekt ist: Unterschiedliche italienische Autoren werden jeweils eine Nacht in einem Museum ihrer Wahl verbringen und über ihre Erfahrung schreiben und sich von dem besonderen Ort, den sie ausgewählt haben, inspirieren lassen.
Geschlafen hat Silvia Ballestra vermutlich nicht, als sie die Nacht auf den 8. März in der GRIMMWELT in Kassel verbracht hat. Im Gegenteil, sie hat gearbeitet und »ist eingetaucht in eine exklusive Atmosphäre, die durch die Dimension der Nacht noch magischer wurde«, wie sie sagt.
Und was für einen perfekten Ort sich die Autorin für ihre nächtliche Exkursion ausgesucht hat. Denn wo kann man besser in die magische Welt der Nacht eintauchen als in einem Museum, das sich ganz den Märchen der Brüder Grimm und ihrem Werk widmet? Genau das war es, was die Autorin reizte, eine Nacht in der GRIMMWELT in Kassel zu verbringen.
Ballestra, die seit 1991 über 20 Bücher veröffentlicht hat und für Zeitungen schreibt, hat sich in ihrer Nacht im Museum und bei ihrer Recherche auf zwei Aspekte konzentriert: Die Arbeit der Brüder Grimm als Gelehrte und Autoren und auf die weibliche Perspektive in den Märchen der Brüder Grimm. »Diese beiden Aspekte sind mir am nächsten. Besonders die weibliche Perspektive ist immer noch ein heiß diskutiertes Thema«, sagt die Autorin.
Frauen in Märchen sind entweder gut oder böse. Ballestra interessieren beide Aspekte. Zum einen die schöne und gute Heldin, die in den Märchen Probleme mit Einfallsreichtum und Mut löst, und auf der anderen Seite die böse Hexe, die das Böse schafft und antagonistische und unterdrückte Kräfte darstellt, wie die Autorin es ausdrückt. »Meist sind es ältere Frauen, die von der Gesellschaft marginalisiert und letztlich in schrecklicher Art und Weise bestraft werden.« Für Ballestra stellen sich in diesem Zusammenhang viele Fragen: Wer sind diese Frauen wirklich, was sagen sie uns und welche Beziehungen führen sie mit Männern, aber ganz besonders mit anderen Frauen? Und wie lesen wir all das aus der heutigen Perspektive?
Aber natürlich ist die italienische Autorin auch in das »Deutsche Wörterbuch« eingetaucht und in die Arbeit der Brüder Grimm an diesem Monumentalwerk. Besonders angetan haben es Ballestra die Zettel, auf denen Jacob und Wilhelm Grimm ihre Notizen machten. Allein für den Begriff ›Zettel‹ gibt es 1119 Anmerkungen, die in der GRIMMWELT ausgestellt sind. »Die Idee, diese Notizen auszustellen, beginnend mit dem Wort Zettel, war erhellend für mich«, betont die Autorin. Für ihre Arbeit sei das Wörterbuch das wichtigste Arbeitsutensil, gerade auch, um die Herkunft der Wörter und ihre Bedeutungen zu erforschen und um Dinge präzise beschreiben zu können. Sie sei schon immer sehr angezogen gewesen von Wörtersammlungen sowie den Nuancen und der Bedeutung von Wörtern. Aber das Werk der Grimms sei noch mal eine ganz andere Dimension. »Die Geschichte des »Deutschen Wörterbuchs« ist verrückt, gewaltig und eine jahrzehntelange Anstrengung, an der wahnsinnig viele Menschen beteiligt waren.«
Die Kasseler GRIMMWELT steht jetzt in einer Reihe mit Sankt Petersburg und Pompeji. Bereits erschienen ist ein Buch des Schriftstellers Paolo Nori, der eine Nacht im Russischen Museum in Sankt Petersburg verbracht hat. Ballestras Buch wird das zweite in der Reihe des Verlags sein, danach folgt eine Nacht in Pompeji, an der ein weiterer Kollege derzeit arbeitet.
Vita Silvia Ballestra
Silvia Ballestra ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Italiens: Geboren in der Region Marken, lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren in Mailand. Zu ihren Romanen gehören: La guerra degli Antò; Compleanno dell'iguana, Gli Orsi, Nina, I giorni della Rotonda, La nuova stagione. Ihr neuestes Buch, La Sibilla, Vita di Joyce Lussu (Editori Laterza, 2022), wurde mit großem Erfolg aufgenommen und kam in die engere Auswahl der renommiertesten italienischen Buchpreise wie Premio Campiello und Premio Strega. Außerdem erhielt es mehrere wichtige Auszeichnungen wie den Comisso-Preis, den Pozzale-Preis, den Napoli-Buchpreis und den Brancati-Preis - um nur einige zu nennen.
In der GRIMMWELT Kassel kommen die Brüder Grimm und ihre Märchen in der Jetztzeit an: Künstlerisch, medial und interaktiv vermittelt dieser neu geschaffene Erlebnisraum das faszinierende Leben und Werk der Brüder. Wertvolle Originale, künstlerische Installationen sowie interaktive und multimediale Elemente laden in der Dauerpräsentation »Märchenhaft von A bis Z« zum Entdecken ein. Das international ausgerichtete Haus bereitet die weltweit verbindenden Kulturgüter »Märchen« und »Sprache« ansprechend auf und richtet sich dabei gleichermaßen an Kinder und Erwachsene, Kunstinteressierte wie Märchenliebhaber.